Dienstag, 26. Februar 2013

W343VI: Fußball in der Provinz bei Sétif – Rekordbesuch beim Jugendpokal und 10 Minuten Nachspielzeit => Algerien Tour (17/21)

* Tag 16: Fußball in der Provinz bei Sétif – Rekordbesuch beim Jugendpokal und 10 Minuten Nachspielzeit *

Mouloudia Club d'El Eulma (نادي مولودية العلمة‎) Under-17
4 : 6 (1:1 / 3:5 n.E.)
Union Sportif Madinet Alger (إتحاد رياضي مدينة الجزائر) U17
- Datum: Freitag, 22. Februar 2013 – Anstoß: 11.00
- Wettbewerb: 1/8ème de finale de la coupe d'Algérie de Jeunes U17 (Achtelfinale des algerischen U17-Pokals; beide Mannschaften 1. U17-Liga)
- Ergebnis: 4-6 nach 95 Min. (47/48) und Elfmeterschießen – Halbzeit: 0-1, Reguläre Spielzeit: 1-1, Elfmeterschießen: 3-5
- Tore: 0-1 38. (7), 1-1 60. (23)
- Verwarnungen: Nr. 7, 13 (MCEE)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Harshe Amar (Kap. 5.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 4.000 (darunter ca. 100 Gästefans)
- Unterhaltungswert: 7,0/10 (Sehr spannendes und über weite Strecken gutes Spiel vor erstaunlicher Kulisse)

Defaa Riadhi Baladia Tadjenanet (دفاع تاجنانت)
1 : 2
Nedjm Chabab d'Madinet Magra (نجم شباب مقرة)
- Datum: Freitag, 22. Februar 2013 – Anstoß: 15.00
- Wettbewerb: Ligue Nationale de Football Amateur, Groupe Est (Nationale Amateurfußballliga, Staffel Ost = 3. algerische Fußballliga, 1. Amateurliga)
- Ergebnis: 1-2 nach 100 Min. (47/53) – Halbzeit: 1-1
- Tore: 1-0 45. (11), 1-1 45.+2 (14), 1-2 52. (8)
- Verwarnungen: Nr. 4, 13, 14, TW-16, 20 (alle NCM)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Malaab Chahid Lahoua Ismaïl (Kap. 6.000, davon 1.500 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 1.000 (keine Gästefans darunter)
- Unterhaltungswert: 5,0/10 (Nach 40 schwachen Minuten wurde das Spiel mit zunehmender Zuschauerzahl zunehmend besser)
DSC05907 Photos with English Commentary:
a) Algerian Under-17 Cup: Mouloudia El Eulma v USM Algiers (On Penalties)
b) Algerian Amateur Top Tier: DRB Tadjnanet v NCM Magra

Wir blieben kurzfristig noch einen Tag länger bei Familie Osman in Sétif, sodass wir am Freitagvormittag nur ins 30km östlich im selben Bezirk gelegene El Eulma und mittags dann 30 weitere Kilometer nach Osten, nach Tadjenanet im Bezirk Mila fuhren.

El Eulma ist eine zusammengewürfelte Industrie- und Arbeiterstadt ohne wirkliche Sehenswürdigkeiten. Ausländer werden hier besonders oft gegrüßt, da sie besonders selten anzutreffen sind. Viele Leute können hier aber nur Arabisch, was mir wiederum recht ist. Es gibt zwei Stadien in El Eulma, das 30.000 fassende Stade Ahmed Zaghour außerhalb im Osten des Ortes gelegen, und das Stade Harche für 5.000 am östlichen Rande des Stadtzentrums. In letzterem wurde an diesem Freitag um 11 Uhr gespielt. Nachdem wir das Auto davor abgestellt hatten, liefen wir noch die zwei Straßen weiter um die Hauptmoschee – Djami Emir Abd el Kader – zu fotografieren. Ein älterer Mann fragte uns gleich, wo wir hinwollten und ob er uns mit seinem Auto fahren solle. Die arabische Antwort: „Wir schauen erst zur Moschee und gucken dann Fußballpokal“ gefiel ihm natürlich sehr gut, wobei ich mich frage, welcher Teil für ihn der bessere war und ob er beim „zur Moschee vorbeischauen“ vielleicht doch eher „dort beten“ verstanden hat...

Jedenfalls staunten wir beim Betreten des Stadions El Harche nicht schlecht, als sich bereits 20 Minuten vor Anpfiff etwa 1.000 Zuschauer eingefunden hatten. Für ein B-Jugend-Pokalspiel. Und es kamen noch mehr! Bis zur 20. Spielminute waren locker 4.000 Leute anwesend. So viele Fans bei einem Jugendspiel habe ich noch nicht einmal ansatzweise in irgendeinem anderen Land zuvor erlebt! Es waren übrigens weitestgehend vernünftige Leute zugegen. Einfache Arbeiter, aber kein Bruchvolk. Das wirkte sich allerdings nicht gut auf die Stimmung aus, die doch eher ruhig und sachlich blieb.

Das Stadion selbst ist übrigens eines der vielen schönen algerischen Stadien: Nimmt man den Eingang zur Gegentribüne, einer 15reihigen Betontribüne mit Steinbänken, tritt man durch windschiefe Kiefern in das enge Stadion, das zwischen einfachen mehrstöckigen Gebäuden steht. Schräg neben der Gegentribüne halb hinter dem Tor zu den Kiefern hin, befindet sich eine winzige, überdachte Sitztribüne für 50 Leute mit Anzeigetafel auf dem Dach. Die Haupttribüne deckt nur etwas mehr als die Hälfte der Längsseite ab und ist auch nur zur Hälfte überdacht. An der hinteren Seite dieser Tribüne ist ein Basketballplatz angelegt.

Das Jugendpokalspiel begann flott mit mehr Chancen für die Heimelf, doch kurz vor der Pause war es der Gast, der mit einem Konter in Führung gehen konnte. Im Verlauf der zweiten Halbzeit kam der favorisierte Gast aus der Hauptstadt zwar mehr ins Spiel, doch kassierte nun ihrerseits den Ausgleich. Die erneute Führung wurde ihnen vom mäßigen Schiedsrichtergespann verwährt. Warum auch immer – eigentlich lag weder ein Foul noch Abseits vor. Beim Stand von 1:1 ging es gleich ins Elfmeterschießen, das eigentlich schon der erste Schütze von El Eulma verkackte, in dem er den Führungstreffer von USMA mit einem Lupfer in die Tormitte ausgleichen wollte. Der Torwart schaffte aber noch, obwohl er bereits zur Seite gesprungen war, den Ball mit einem Sprung zurück abzuwehren. Alle weiteren Schützen beider Teams trafen, sodass es nach neun Schüssen drei zu fünf für Algier stand. DSC05990 Weiter gen Osten, schnell was essen und ab ins Stadion von Tadjenanet, das ebenfalls mal wieder nach einem Märtyrer, der den Kampf gegen die französischen Kolonialherren nicht überlebt hat (Märtyrer = Chahid), benannt ist. Letzteres klappte erst einmal nicht so toll, denn bis 15 Minuten vor Anpfiff war das große blaue Stadiontor verrammelt. Es waren wohl noch nicht alle Polizisten, die für dieses Spiel abgestellt wurden, anwesend. Und bevor nicht die gesamte Hundertschaft bereitsteht, dürfen die Fans nicht rein. Klar, dass es ein bisschen Streit gab: der jugendliche Oberrowdy, der dann noch unbedingt ein Foto mit mir machen wollte, huppte fünf Mal mit der Schulter voraus und fünf Metern Anlauf gegen die laut scheppernde Blechtür – ältere Fans klopften immer mal ans Tor, als würden sie in ein Haus von Freunden um Einlass bitten, und meckerten die Sicherheitskräfte voll...

Nachdem unter leisem Applaus geöffnet wurde, kamen bis zur 30. Minute knapp 1.000 Zuschauer herein. Es ist ein allenfalls durchschnittlicher Zuschauerzuspruch in der Liga, was sehr für diese LNFA spricht, da sie eher mit den deutschen Verbands- bzw. Landesligen vergleichbar ist. Die Teams aus Tadjenanet und Magra machten allerdings keine Werbung für diese Liga, denn die beiden Mittelfeldteams nutzten den versifften Kunstrasen dauernd als Liegewiese. Dauernd Fehlpässe und dann Fouls, dauernd Unterbrechungen. Erst eine Torchance für den Gastgeber in Minuten 40 war der Weckruf. Nach 45 Minuten fiel dann das erste Tor nach einem Zweikampf zwischen Tadjenanet-Stürmer und Magra-Torwart. Der Ausgleich fiel nach einem durch einen Torwartfehler ermöglichten Kopfball in der Nachspielzeit der ersten Hälfte.

Die Nachspielzeit beider Spielhälften zusammen betrug dann schließlich 10 Minuten, wobei das entscheidende zweite Tor für den Gast aus Magra bereits 6 Minuten nach Wiederanpfiff fiel. Durch Magra waren wir übrigens gestern durchgefahren: das ist eines der Straßendörfer bei Djezzar im Bezirk M’sila (150km südwestlich von Tadjnanet) mit massiver Schrott- und Ersatzteilhändlerszene. Am Ortsschild wurde übrigens ein passender Graffitispaß gemacht: da im Arabischen meist keine kurzen Vokale geschrieben werden, kann man mit einem Punkt und einem kurzen Strich aus Magra bzw. hocharabische Schreibung Maqra (deutsch: Olive, arabisch: مقرة) Maqbara (arabisch: مقبرة, deutsch: Friedhof) machen.

Die zweite Hälfte war erheblich besser als die erste, wobei es immer noch kein besonders gutes, da ziemlich zerfahrenes Spiel (viele Fouls und Pöbeleien halt) war. Die Zuschauer im halbfertigen Stadion waren auch nicht sonderlich begeistert. Ab und an Sprechchöre und nur zwei, drei Flaschen die aufs Feld geworfen wurden: eher unterdurchschnittlich für LNFA...

Was das halbfertige Stadion angeht: der Ausbau auf drei Seiten ist auf einer noch nicht fertig, jedoch wird auch die hohe Haupttribüne – ein zehnreihiger Betonbau, der wohl noch ein Dach und auf jeden Fall Geländer an den Treppen erhalten soll – bereits von Zuschauern genutzt. Beliebter ist jedoch ein Platz auf der achtreihigen Sitztribüne (schöne Hartkunststoffbänke in dunklem Orange) oder einer auf der Stehtribüne hinterm Tor, die offensichtlich auf einer Seite als Gästesektor gedacht ist und auf der Heimfanseite den Schriftzug des Stadions – wie alle Schilder in Tadjenanet ausschließlich Arabisch – trägt.

Was mir bei den Zuschauern bei beiden Spielen heute auffiel, war: Zum einen waren zwar überwiegend einfache Landbevölkerung und Proletarier zugast, was man an den Klamotten und der Sprache festmachen kann, doch trotz eigentlich enormer Zuschauerzahlen ging es ziemlich vernünftig ab. Das Publikum war für algerische Verhältnisse aber nicht sonderlich jung (bei beiden Spielen waren sehr viele – auch ältere – Erwachsene zugegen) und anscheinend zu 100% männlich, was für Algerien sehr selten ist. Aber die eine junge Frau vom FC Bejaia hatte mich ja schon darauf hingewiesen, wie viel konservativer die Ecke Sétif und Mila im Vergleich zur Kabylei, Algier und Relizane + Ostumland von Oran ist. Auch Osman merkte an, als wir vom Frauenspiel in Relizane erzählten, dass er von den Erfolgen der Mannschaft gehört hat aber sich sicher ist, dass es keine einzige Frauenfußballmannschaft in Sétif gibt. Die nächsten sind BBA (2. Liga) und besser Khroub und Constantine (beide 1. Liga).

Mit Osman und Sami zusammen fuhren wir dann noch in einen anderen Stadtteil zu einem Verwandten, dem Bruder seiner Frau, und aßen dort mit dessen Familie zu Abend. Freitag ist nämlich Couscous-Tag – oder wie das Essen in Sétif und Umgebung heißt: Barboucha, was aber dasselbe ist wie Couscous, Kseksu oder Ta’am – und so gab es feinstes traditionelles Essen und lustige Unterhaltungen, die mal Arabisch, mal Englisch, mal Deutsch und auch ein bisschen Französisch geführt wurden. Die Einladung, die mir für den nächsten Algerienaufenthalt (voraussichtlich ab September diesen Jahres zu Studienzwecken) ausgesprochen wurde, nehme ich natürlich gerne an – die Gastfreundschaft hier ist doch genauso unschlagbar wie ich sie in Syrien erlebt habe! DSC06019 Statistik:
- Grounds: 867 (heute 2 neue; diese Saison: 99 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.717 (heute 2, diese Saison: 140)
- Tageskilometer: 140 (140km Auto [Mietwagen])
- Saisonkilometer: 35.600 (32.250 Auto/ 1.600 Flugzeug/ 1.600 Fahrrad/ 80 Schiff, Fähre/ 70 Bahn, Bus, Tram)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 26 [Letzte Serie: 6, Rekord: 141]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 343

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