Donnerstag, 23. September 2010

W215V: Von Karlstad nach Stockholm – in der schwedischen Hauptstadt steht das schönste Stadion der Welt

Djurgårdens IF (Stockholm) 2:1 Örebro SK Sonntag 12. September 2010 – Anstoß 16.30 Allsvenskan („Die Gesamtschwedische“, 1. Profiliga) Ergebnis: 2:1 nach 95 Min. (47/48) – Halbzeit 0:1 Tore: 0:1 37. Magnus Wikström, 1:1 79. Sharbel Touma, 2:1 82. Joona Toivio Verwarnungen: Lucho A. Rodriguez (DIF); Magnus Kihlberg, Michael Almebäck (ÖSK) Platzverweise: keine Spielort: Stockholms Olympiastadion (Kap. 14.417 Sitzplätze) Zuschauer: 8.057 (davon ca. 300 Gästefans) Unterhaltungswert: 7,5/10 (Bis zur 60. mittelmäßig, dann packendes Schlussdrittel, außerdem gute Stimmung) Sightseeing: 7,0/10 (Diesmal zwar wenige Sehenswürdigkeiten, aber ein erster Überblick über das schöne Stockholm, eine tolle Kirche in Glanshammar und die Altstadt von Karlstad) IMG_4939 Photos and English version: Djurgarden 2-1 Örebro at World’s Most Beautiful Stadium (Stockholm Olympiastadion) Sights of Stockholm (Swedish Capital) Karlstad and Glanshammar
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In Karlstad gab es mal ein reichliches Frühstück. Wir hatten ja im IBIS übernachtet, also gab es auch ein ordentliches Büffet für 7€. An dem Tag sollte kulinarisch ohnehin so einiges drin sein. Erst einmal sahen wir aber zu, die Innenstadt von Karlstad schnell zu besichtigen – es gibt einige schöne Prachtbauten am Flussufer, einen recht ansehnlichen Rathausplatz, ein großes Opernhaus und einen sehenswerten Dom: zwar etwas einfach wirkend durch die weiße Farbgebung, doch nicht nur die hohe Kupferturmhaube, sondern vor allem das Innere des kreuzförmigen Baus macht etwas daher – und dann gen Stockholm aufzubrechen. Nach einem Drittel des Weges – es ließ sich wieder halbwegs interessant durch Wald- und Seenlandschaften, in denen kein Polizist die mitunter wilden Fahrmanöver der Einheimischen oder meine leicht überhöhte, aber eben an das Verhalten der Anderen angepasste Geschwindigkeit kontrollierte, fahren – gab mein Vater das Steuer an mich ab. Wir wechselten an der Kirche von Glanshammar, zu der man, fährt man die entsprechend ausgeschilderte Autobahnabfahrt ab, durch Rechtsabbiegen auf der Autobahnbrücke und Linksabbiegen vor der kleinen Brücke auf der Landstraße (rechts über die Brücke ist der Fußballplatz, links ab geht’s nach ein paar Hundert Metern zur Kirche), gelangt. Die Kirche ist ein wirklich schönes Beispiel für ein schwedisches Gotteshaus des späten 17. bzw. frühen 18. Jahrhunderts: ganz in weiß gestrichen heben sich farblich nur die Holzschindelhaube des hohen, schmalen Turms und die Sakristei in barockem Rosa ab. Auffällig ist vor allem auch der vom Kirchengebäude abseits stehende Glockenstuhl aus Holz, der bei der Kirche von Glanshammar besonders groß und schön ist. Außerdem ist auch der Friedhof auffällig gut gepflegt. IMG_4897 In Stockholm sahen wir schon einige sehenswerte Gebäude, denen wir uns am Folgetag annahmen, da wir für diesen Sonntag in der schwedischen Hauptstadt nur den Besuch eines Spiels von Djurgården – neben Hammarby und AIK Solna einer der drei großen Clubs aus Stockholm, die allerdings weder Rekordmeister stellen, noch in den letzten Jahren so wahnsinnig erfolgreich waren – geplant hatten. Nach dem Kartenholen liefen wir an der Königlichen Technischen Universität vorbei, die wir danach auch noch besichtigten, da der Campus ein hervorragendes Baudenkmal mit monumentalen und detailreichen Backsteinbauten aus den 1910ern ist, neben der sich eine U-Bahnstation mit angeschlossener Ladenpassage befindet. Im ersten Stock der Ladenpassage befindet sich ein gutes schwedisches Restaurant, das zu gemäßigten Preisen (d.h. die meisten Gerichte kosten zwischen 9 und 15€) gute Sachen wie Kötbullar (Fleischklößchen mit Kartoffelbrei, Kräutern, Soße und Preiselbeeren; 9,50€) anbietet. Am Spieltag gehört der Laden quasi den Djurgården-Fans, die dort 95% der Besucher ausmachten. Eine Stunde vor Anpfiff gingen wir ins Olympiastadion. Wir hatten die billigste Kategorie genommen; das sind Sitzplätze hinterm Tor, die in erster Linie für Familien mit Kindern gedacht, aber nicht ausschließlich reserviert, und mit 10€ natürlich immer noch nicht billig sind. Allerdings sind vergleichbare Plätze in der deutschen Bundesliga meist erst um die 15€ zu haben. Aber was ist schon ein Platz in irgendeinem Bundesligastadion gegen einen Platz im Stockholmer Olympiastadion? Wer nicht meint, dass es das schönste Stadion weltweit ist, soll mir mal ein schöneres zeigen! Schon allein der Eingang – hier fanden nur Karten- und keine Körper- oder Taschenkontrollen statt! – ist herrlich, da man als Unkundiger eine historistische Burganlage erwarten würde, mit dem Haupteingangstor, das im Stile eines Festungsportals mit zwei Wehrtürmen gebaut ist. Die Stadionmauern sind Wehrmauern, deren Türme zinnenbewehrt sind. Die zwei großen Türme, auf denen ein Teil der Flutlichtanlage befestigt ist, befinden sich gegenüber unseres Sektors H, wobei der rechte ein Uhrturm mit Glocken und monumentalen Steinfiguren im Baustil der 1910er Jahre, in denen dieses Stadion für die Olympischen Spiele 1912 errichtet wurde, und der linke ein etwas einfacher gestalteter Turm ist. Beide Türme haben Balkone, zwischen beiden Türmen verläuft ein Arkadengang mit 18 Bögen, in dessen Mitte sich die beiden Anzeigetafeln befinden. Auf den Arkaden können sich die VIPs, für die es dort Zelte gibt, bewegen. Andere wichtige Personen dürfen unter dem Holzbaldachin, der mit mehreren Speerspitzen verziert ist, auf der rechten Stadionseite sitzen. Die Längsseiten sind nur zur Hälfte überdacht, wobei alle Zuschauer auf Holzbänken sitzen. Kurzum: Es werden zwar auch neue Stadien in Schweden gebaut, aber bekannte alte Stadien sind Baudenkmale, die weiterhin regelmäßig genutzt werden. Und das Olympiastadion ist der absolute Wahnsinn und ein Muss für jeden Groundhopper oder Fußballfan, der ein bisschen mehr sehen will, als die Spielstätte seines Lieblingsclubs! IMG_4946 Auf der linken Seite auf Höhe des Strafraums platzieren sich die Ultras und andere harte Fans von DIF, die komplette Seite unter und rechts neben dem Holzbaldachin ist voll von Dauerkartenbesitzern, die bei jeder Aktion mitgehen und bei vielen Szenen aufspringen, die Spieler ermuntern oder bepöbeln. Unterhalb des Uhr- und Glockenturms sind die Gästefans untergebracht. Örebro hatte knapp 300 mitgebracht, die auch ab und an auf unserer, fast 200m Luftlinie entfernten Seite zu hören waren. Auf unserer Seite waren halt nur Familien, junge Paare und andere, nicht anfeuerungswillige Gestalten. Sogar andere deutsche Fans - aus Aue! - waren da. Aber die Stimmung von rechts und links – mal italienische, mal englische Melodien zu schwedischen Texten – kam trotzdem prima rüber. Genial war das Singen des Vereinslieds vor dem Anstoß und in der Nachspielzeit: da sangen 90% der Fans das im Sound der „Goldenen Zwanziger“ aufgenommene Lied mit, was natürlich herrlich klingt! Kaum war also das Vereinslied von den Rängen verklungen, schon ertönte der Pfiff zur Eröffnung des Spiels. Örebro war zu Beginn klar besser und hatte drei Chancen in den ersten 20 Minuten, während Djurgården nur einmal das Gästetor in Gefahr brachte. Die nächsten zehn, zwölf Minuten waren lahm, doch dann nahm das Spiel Fahrt auf – forciert von Örebro – und der Gast belohnte sich dafür auch mit einem schönen Treffer zum 0:1, wobei der Torschütze Wikström nach dem Zusammenprall mit DIF-Torwart Pa Dembo Touray, an dem er den Ball vorbei ins Eck grätschte, ausgewechselt werden musste. Nach der Pause dauerte es 15 Minuten bis der Gastgeber aus Stockholm-Tiergarten mal endlich in Fahrt kam. Aber dann auch richtig! Plötzlich war das Spiel richtig gut und Djurgården feuerte massenhaft gute Schüsse aufs Tor von Örebro ab. Drei Mal trafen sie die Latte, mehrfach parierte der Gästetorwart, doch dann traf Sharbel Touma, ein schwedischer Assyrer, per Freistoß an den Innenpfosten zum 1:1 für Djurgården. Kurz darauf ein weiterer Freistoß, der per Kopf von Joona Toivo aus Finnland verwertet wurde. 2:1! Herrlich, wie nun das ganze Stadion auf den Holzbänken stand! Die Ordner mussten nun sogar vereinzelt Fans auf die Tribüne zurück schubsen, die beim Jubeln über die Reling (es gibt keine Fanzäune, die sind in Schweden absolut die Ausnahme!) gefallen oder absichtlich gesprungen waren. IMG_4986 Die Ordner waren aber ohnehin klasse: kontrollieren nicht am Eingang, aber nehmen einem Mann noch fünf Minuten vor Abpfiff die halbleere Colaflasche weg... Doch vor allem fiel auf, dass sie sich nicht großkotzig wie viele deutsche Ordner gegenüber den Fans verhalten. Die Polizei war sogar völlig im Hintergrund mit der Taktik „Wir stehen unauffällig am Rande, werden nicht wahrgenommen und greifen sofort ein, wenn’s Stress gibt“ bedienen. Außer dem Ordner-Chef in der orangen Jacke kümmerte sich zum Beispiel keiner der Sicherheitsleute um die auf der Reling turnenden Kinder – aber der Kerl unterstrich ohnehin seine Wichtigkeit sehr eindrucksvoll, indem er einen untergeordneten Kollegen mit gelber Jacke belehrte, er müsse seinen Klappstuhl 30cm weiter rechts auf der Tartanbahn - symmetrisch zum Tribünenaufgang, oder was? - aufstellen. Ob der wohl das Lied „Orange trägt nur die Müllabfuhr“ kennt? Egal, das Spiel war jedenfalls – zumindest in Hälfte zwei – richtig sehenswert, Djurgården ist durch den Sieg um einem Platz auf 5 geklettert während Örebro weiterhin 3. (von 14) hinter Malmö und Elfsborg ist, die Stimmung im Stadion war wirklich gut und die Atmosphäre allgemein sehr angenehm. Die Schweden scheinen auch eher auf Groundhopper eingestellt zu sein, da man gar nicht angeglotzt wird, wenn man die Tore oder Karten notiert, bzw. viel fotografiert, und auch nur sachkundig und freundlich - und nicht nach dem deutschen Motto „Was seidn ihr für welche?“ - angesprochen wird. Jedem Stockholmbesucher kann ich übrigens empfehlen, dieses Stadion zu besichtigen (zu welchen Zeiten es für Führungen offen steht, weiß ich nicht – aber man geht am besten so wie so zu einem Spiel), da es nicht nur irgendeine Sportstätte ist, sondern ein architektonisches Meisterwerk, was auch in seiner Zeit eine Glanzleistung darstellte. Ein kulinarisches Meisterwerk sind übrigens die arabischen Salate von der Tankstelle, die wir uns mal wieder zum Abendbrot kauften: z.B. Eisbergsalat mit Hühnchenbrust, Kichererbsen, Couscous, Bulgur, Kichererbsen, Frischkäse, Saubohnen und Paprikaschoten. Wahnsinn, was die in Schweden an jeder Tankstelle führen! Das ist sogar noch besser, als das Sortiment in Tschechien oder Polen. Von Deutschland ganz zu schweigen, wo außer Aral kaum eine Tanke was Vernünftiges zu Essen anbietet. Nur zahlt man eben z.B. für einen Hotdog an einer Tanke in Schweden 2,50€ und nicht 1,00€ wie in Polen (aber auch nicht 4,00€ wie in Dänemark). Der Salat kostet auch mit 4,50€ bis 6,00€ deutsche Restaurantpreise, wobei man das für die Qualität gerne hinlegt! IMG_5048 Statistik: Ground Nr. 469 (ein neuer Ground; diese Saison: 19 neue) Sportveranstaltung Nr. 1.063 (diese Saison: 25) Tageskilometer: 350 (Auto) Saisonkilometer: 5.460 (3.890 Auto/ 1.120 Fahrrad/ 380 Bahn, Bus, Tram/ 60 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug) Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 52 Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 215

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